Erst kribbelt, juckt und brennt es nur. Wenige Stunden später zeigen sich dann die typischen, kleinen Bläschen an der Lippe. Spätestens dann weiß man, was einem nun „blüht“: Lippenherpes. Schon wieder. Denn meist ist es mit dem einmaligen Auftreten der schmerzhaften Bläschen nicht getan. Schließlich ist der Herpes-simpex-Virus Typ 1, kurz HSV-1, äußerst hartnäckig. Schon im alten Griechenland waren die lästigen Infektionen mit Herpesviren bekannt. Das altgriechische Wort „Herpes“ bedeutet so viel wie „schleichender Schaden“. Eine treffende Bezeichnung – bedenkt man, dass Lippenherpes meist in schöner Regelmäßigkeit wiederkehrt.
Lebenslanges Risiko
Menschen, die mit Lippenherpes zu kämpfen haben, sind in guter Gesellschaft: 90 Prozent der Deutschen tragen das Herpes-simplex-Virus in sich. Viele, ohne es zu wissen. Denn nicht jeder, der das Virus in sich hat, muss auch tatsächlich an Lippenherpes leiden. Das Herpes-Virus selbst wird durch Schmierinfektion oder direkten Kontakt weitergegeben. Wer einmal „das falsche Glas“ erwischt hat, kennt das Phänomen – wenige Tage später ziert eine Gruppe schmerzhafter Bläschen Ober- oder Unterlippe. Das Virus hat die obersten Zellen der Haut angegriffen und sich dort explosionsartig vermehrt. Doch damit noch nicht genug. Sind die Symptome, die Bläschen, abgeklungen, bereitet das Herpes-Virus bereits seinen nächsten Angriff vor. Zunächst wandert es unbemerkt von den Lippen entlang der Nervenbahnen zu den Nervenwurzeln. Dort macht es sich der Quälgeist dann so richtig bequem. Ungestört dämmert er vor sich hin, bis die Gelegenheit für einen neuen Angriff naht. Kann nämlich das Immunsystem das ruhende Herpes-Virus nicht mehr in Schach halten, wird es wieder aktiv und wandert entlang der Nervenbahnen zurück in die Hautzellen des Mundbereiches. Dort „kapert“ es gesunde Zellen, programmiert ihre Erbinformation um und zwingt sie so, neue Viren zu produzieren. Dann beginnt das Spiel wieder von Neuem...
Was HSV-1 auf den Plan ruft
Das ist unter anderem exzessive UV-Strahlung. Sie kann die Herpesviren aus ihrem „Winterschlaf“ reißen und aus den Nervenwurzeln hervorlocken. Doch nicht nur die Sonne vermag die gefürchteten Bläschen wieder zum Vorschein zu bringen. Auch Fieber kann die Viren wieder aktivieren – worauf auch die volkstümliche Bezeichnung „Fieberblasen“ hinweist. Überhaupt schlagen die Quälgeister gerne dann zu, wenn das Immunsystem geschwächt ist und mit den Eindringlingen nicht mehr fertig wird. Eine andere häufige Ursache ist Stress. Denn unabhängig davon, dass Stress allgemein negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, schwächt er auch das Immunsystem. Generell lässt sich sagen: Immer, wenn der Körper unter einer starken Belastung steht, die seine Abwehrkräfte schwächt, droht das Virus wieder aktiv zu werden und die schmerzhaften Bläschen auszulösen.
Finger weg!
Zieren die schmerzhaften und unschönen Bläschen erst einmal die Lippen, ist die Ansteckungsgefahr sehr hoch. Denn die Flüssigkeit in den offenen Bläschen enthält zahllose Viren, die weitergegeben werden. Um zu vermeiden, dass sich andere Personen anstecken, heißt es, sich in Sachen Küssen einige Tage in Enthaltsamkeit zu üben. Grundsätzlich gilt bei akuten Herpesbläschen die Maxime: Finger weg! Nicht an den Pusteln drücken oder kratzen, sonst können die Viren auf der angrenzenden Haut und den Händen verteilt werden. Deshalb sollten nach jeder Berührung der erkrankten Hautstellen, auch beispielsweise nach dem Auftragen von Cremes, unbedingt die Hände gründlich gewaschen werden. Selbst wenn die Bläschen bereits am Verkrusten und Abheilen sind, ist Vorsicht geboten. Denn obwohl die akute Ansteckungsgefahr gebannt ist, kann es zum Beispiel durch Aufkratzen des Schorfs zu einer Infektion der Wunde mit Bakterien kommen. In der Medizin wird dieser Vorgang als »bakterielle Superinfektion« bezeichnet.
Schachmatt den Viren?
Die schlechte Nachricht: Lippenherpes ist im eigentlichen Wortsinn nicht heilbar, da die Viren nie zur Gänze aus dem Körper vertrieben werden können. Ist es erst einmal zu einer Infektion gekommen, befinden sich die Erreger ein Leben lang im Nervensystem. Die gute Nachricht: Ganz wehrlos ist man den Viren nicht ausgeliefert. Es gibt eine ganze Reihe Möglichkeiten, die Viren und ihre Symptome, die Bläschen, in Schach zu halten. Die gängigste Methode, den schmerzhaften Pusteln Herr zu werden, ist der Einsatz von so genannten »Nukleosid-Analoga«. Das Virus besitzt, genau so wie wir Menschen, Erbinformationen in Form von DNS (Desoxyribonulkeinsäuren), die es zum Leben benötigt. Diese DNS besteht aus verschiedenen Bausteinen, die wichtigsten sind die Nukleoside. Die »Nukleosid-Analoga« ähneln nach außen diesen Original-Bausteinen, sind aber genau genommen trojanische Pferde. Bauen nämlich die Viren diese trojanischen Pferde in die Erbinformation ein, bekommt ihnen das schlecht: Damit ist die nächste Virengeneration zum Sterben verurteilt und kann keinen Schaden mehr anrichten. Einer der bekanntesten dieser Wirkstoffe ist Aciclovir, der rezeptfrei in Cremeform angeboten wird. Fängt die Lippe wieder einmal an zu kribbeln und zu brennen, sollte die Creme möglichst schnell aufgetragen werden – je früher, desto besser. Auch Mutter Natur hat einiges auf Lager, was den Lippenbläschen das Leben schwer macht. Eine Creme, hergestellt aus der bekannten Heilpflanze Melisse (Melissa officinalis), kann bei Lippenherpes helfen. Ebenso wie ein Extrakt aus Salbeiblättern. Beides bekommt man rezeptfrei in der Apotheke. Auch Zinksulfat, als Creme oder Gel aufgetragen, schmeckt den Pusteln wenig. Bewährte Hausmittel sind Zahnpasta und Labiosan, die Sie auch als »Gletscher-Creme« kennen.
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